Martin, you are an Ironman

Die magischen Worte, die einem mindestens ein gewichtiges Zwischenziel versprechen.

Am 02.7.2023 um 20:22 Uhr hat man es zu mir gesagt.
Ich habe schon viel emotionale sportliche Momente erlebt, aber dieser war definitiv etwas Besonderes.
Noch nie war ich vor einem Wettkampf so unsicher, ob ich ihn finishen würde.
Diese Unsicherheit war auch prägend für den ganzen Wettkampf.

Aber fangen wir von vorne an.

Die Vorbereitung

Ich hatte mich so präzise wie noch nie auf ein Rennen vorbereitet. Es gab

  • Ein detaillierter Plan mit Aufgaben von Donnerstag bis Montag.
  • Detaillierte Checklisten wie z.B. den Inhalten der einzelnen Beutel oder Teile des Radchecks
  • Einen Ernährungsplan von Montag bis Sonntag
  • Vorbereitungen für „Was wäre Wenn“ und Backups in den Special Needs Beuteln (Sonnencreme, Durchfallmittel, 2 Ersatzschlauch….)
  • Einen Verpflegungsplan mit was und wieviel an welchem VP und was bringe ich mit welchen Zusammenstellungen als Eigenverpflegung mit

So arbeitete ich recht diszipliniert ab Montag meine Aufgaben ab. Tatsächlich halfen mir die vielen Listen verhältnismäßig entspannt zu sein. Ich hatte viel Zeit darin investiert und hatte nie das Gefühl etwas vergessen zu haben.

Am Donnerstag ging es dann zur Registrierung. Es gab die Unterlagen und ein Armband, das einen als „First Timer“ also einen der die erste Ironman Langdistanz macht, auswies. Natürlich musste auch geshoppt werden zu völlig überteuerten Preisen gab es einen Hoodie, ein T-Shirt und eine Tasse.
Freitag war dann die Wettkampfbesprechung dran. Im Anschluss bin ich nochmal die Rad Wettkampfstrecke abgefahren und habe die Beutel gepackt.
Die Pasta Party, die noch im Zeitplan bis Juni stand, war dann im Athletenguide nicht mehr enthalten sowie plötzlich, still und heimlich auch von der Webseite verschwunden. Ein komisches gebaren von Ironman, da sie es bei der Anmeldung 2022 noch als Leistung angegeben war.

Samstag war Gel „Kochen“, Beutel und Radabgabe und meine Schwiegereltern kamen aus Braunschweig zum Anfeuern zu Besuch.

Beim Rad-Checkin gab es die erste Verwirrung. Um an die Stelle für mein Rad zu kommen, musste ich erst an einem Security Man vorbei. Da begriff ich erst, dass die Eintracht im Bereich der Profis steht und alle Eintrachtler dort zusammen sind. Ein cooles Gimmick für den größten Startenden Verein von Ironman.

Der Renntag

Samstag ging es dann um 21 Uhr ins Bett. Sonntag um 3:30 ertönte der Wecker.
Anziehen, frühstücken und ab nach Langen zum Waldsee. Dort noch stress mit einem Ordner, weil er mich nicht hat aussteigen lassen wollen. Ulrike fuhr wieder heim und für mich wurde es langsam Ernst. Letzte Vorbereitungen standen an, wie die Trinkflaschen ans Rad bringen und das Trinksystem befüllen. Die Special-Needs-Beutel packen und abgeben. Nochmal auf die Toilette und dann wurde es auch langsam Zeit den Neo anzuziehen und den weißen Beutel abzugeben. Glücklicherweise war die Wassertemperatur in den letzten Tagen davor ausreichend gesunken.
Etwas einschwimmen und dann in den „Vorstart“.

Es war schon ein beeindruckendes Bild, die fast 700 m lange Schlange an Schwimmern im Wasser vor mir, am Start zu sehen. Ich war aber auch richtig heiß und es sollte endlich losgehen. Ich wollte des es endlich losgeht und wissen wo ich stehe.

Das Schwimmen

Dann ging es auch für mich ins Wasser. Recht schnell merkte ich, die Massen geben einem viel Wasserschatten, aber auch Körperberührungen sind trotz Rolling Start noch Massenhaft gegeben.
Es lief gut und ich fühlte mich trotzdem gut. Nach die ersten 1600 mm waren geschwommen. Australien Exit. Nichts überstürzen ich war ziemlich gemütlich unterwegs.
Ein Blick auf die Uhr: 31 Minuten.


Ich bin super unterwegs. Also den Rest weiter so.
Die leicht geänderte Strecke ging dann weiter ganz gut bis so ca. 3600 m. Gefühlt fand ich da keinen Wasserschatten mehr und bin dann die letzten 400 m so gut es ging geschwommen und habe auch noch versucht etwas Tempo zu machen. Nach 3990 m (alle mit denen ich sprach sind zwischen 3950 und 4000 m geschwommen) und 1:21 h ging es dann aus dem Wasser. Ich war für das Tempo, dass ich im Schwimmbad nicht für 200 schaffe zu halten, super frisch und erholt aus dem Wasser.

Streckenplan am Trinksystem

Der Wechsel klappte richtig gut und es ging ohne Probleme und verhältnismäßig flott auf die Radstrecke.
Da war ich zügig unterwegs. 35, 37, 39 km/h und gerade so am unteren Ende der Zielleistung angekommen.
Ich entscheid mich bewusst nicht mehr Leistung zu geben, wie für 35/37 km/h nötig sind. Selbst im Bestfall hatte ich nur mit einem 32 Schnitt gerechnet. Ich wollte ganz bewusst auf Ankommen fahren. Der Tag würde sicher noch sehr lang genug werden. So blieb es bis aus Frankfurt heraus. Die ersten Anstiege gingen auch ganz gut.
Bis km 60.
Ich war gut unterwegs. Schnitt 31,4 km/h.
Zack, die Kette war runter und zwischen kleinem Zahnrad und Rahmen verklemmt.
Erst bekam ich sie nicht wieder heraus. Dann stellte ich mich zu doof zum Aufsteigen an. Kassierte noch einen Rüffel vom Kampfrichter und musste auch noch feststellen, dass die Kette verbogen war. Dadurch sprang sie ständig auf einen anderen Gang. Jedes Mal war es wie ein Tritt ins leere.

Mein Streckenplan sagte mir, dass es den nächsten Bike-Service erst bei km 90 gab. Es sollten auch einen Mobilen geben.

Ich wusste aber nicht, wie ich den herbekommen sollte, so ohne Telefon oder andere Kontaktmöglichkeiten. Warten war keine Option. Also musste es bis km 90 irgendwie auch so gehen. Auf die Idee, ihn am nächsten Verpflegungspunkt (VP) rufen zu lassen, bin ich natürlich nicht gekommen. So ging es weiter die wellige Strecke zum VP nach weiteren 15 km fing dann mein Knie von den Tritten ins leere an zu Schmerzen. Ich sah mich schon das Rennen vorzeitig zu beenden. Beim Eintracht VP war dann die Hölle los. Den mentalen Schwung hätte ich gerne mit auf die weitere Strecke genommen. Tatsächlich hieß es am Ende des VP am Bike-Service anhalten. Klaus von der Eintracht kam gleich zu mir und wollte mir noch helfen. Das fand ich so toll. Das Rad abgegeben. Für mich ging es endlich auf die Toilette. Ich musste eigentlich schon seit 35 km. Da machte sich auch bei der Dauer bemerkbar. Als ich aus dem Dixi kam, war das Rad auch schon fertig. Was sie gemacht haben? Keine Ahnung. Ich dachte eine neue Kette, aber es war, wie ich später feststellte, noch meine alte gewachste Kette drauf. Für mich fühlte es sich aber an wie eine neue Kette.
Mittlerweile war der Schnitt auf unter 30 gefallen.
Die Knieschmerzen vergingen wieder schnell und es ging bergab nach Frankfurt. Eigentlich toll um schnell zu fahren. Auf der Friedberger Landstraße war es aber nicht so lustig. Rechts Hütchen und daneben zweispurig der Autoverkehr und links ein hoher Bordstein. Wind der einen immer wieder nach links drückte und die Strecke schmal machte. Am Main vorbei ging es dann auf die 2. Runde. Nach dem Kopfsteinpflasteranstieg stand meine Frau mit ihren Eltern und feuerten mich an.

Glücklicherweise habe ich beide mal keine Flaschen verloren. Lediglich 2 Gel sind vorne herausgefallen.

Die zweite Radrunde verlief bis km 150 unspektakulär. Ich versuchte über Wattwerte am oberen Rand des Korridors verlorene Zeit wieder gut zu machen. Dann frischte der Wind ordentlich auf, der zwischenzeitlich immer stärker geworden war. Er kam von Vorne oder rechts, was ein weiteres Tempo aufholen stark begrenzte. Dazu erwischten mich 2 ordentliche Böen, die mich um 40-50 cm seitlich versetzten. Ab jetzt war besonderes Aufpassen angesagt.
Mit dem Wind fühlte ich mich das erste Mal bei einem Wettkampf richtig unsicher auf der Friedberger Landstraße mit den Autos. Ich war nur froh, dass der Wind aus Richtung der Autos kam.

Es ging in die Wechselzone. Hier musste ich erstmal eine freie Toilette suchen, was doch etwas Zeit gekostet hat. Der Wechsel selbst ging wieder ziemlich gut.

Nach ca. 400 m erwischte mich dann wieder der Wind. Schwupps, eh ich mich versah lag meine Mütze im Main. An vieles hatte ich gedacht und zur Sicherheit im Special Needs. Eine zweite Mütze war aber nicht dabei.

Das Laufen

Für 180 km Rad in den Beinen ging das laufen recht gut los.
Mein Plan war zwischen den VP Laufen und in den VP gehen und trinken, so dass ich auch beim Laufen meine 60-70 g Kohlenhydrate pro Stunde zu mir nehmen kann. Das hat auch sehr gut funktioniert. Meine ganze Familie war dann an verschiedenen Stellen am Main. Später kamen dann och weitere Freunde an die Laufstrecke. Es war fast überall viel los und es wurde kräftig angefeuert. Als Eintrachtler sicherlich noch etwas mehr als andere.
Mein Ziel war es mindestens den Halbmarathon laufend zu schaffen. Bei km 18 kamen dann aber Probleme im linken Unterschenkel auf. Ich versuchte es mit Gehpausen, aber ich merkte richtig vorwärts bringt mich das nicht. Walken mit einer Pace um 8:30/9:00 ging aber gut. Ich entscheid mich daher für die sicherere Variante. Ich walke das Ding in dem Tempo zu Ende.


Mein Problem mit den Toiletten wurde damit aber nicht besser. Ich musste weiterhin spätestens alle 3 km auf die Toilette. Dabei habe ich eine wichtige Lektion gelernt:
Kaufe dir nie wieder einen Wettkampfanzug, der sich nicht bis zur Hüfte öffnen lässt.

Der restliche Teil bis km 39/40 ging so ziemlich gut, ab da wurde es dann auch mit dem Walken deutlich härter. Der Zieleinlauf musste aber gelaufen werden.

Das Finish

Ich weiß gar nicht wie ich das beschreiben soll. Selbst jetzt, 2 Wochen nach dem Rennen, werden meine Augen beim Gedanken daran noch feucht.
Es war mega toll, der enge Kanal, die vielen Leute, die vielen Hände zum Abklatschen, der Jubel. Es fühlte sich an, als wäre man der Sieger.
Emotionen pur.
Und meine Familie im Finish-Bereich dabei.

Fazit:
Für mich hat es sich gelohnt möglichst viel vorher zu recherchieren und zu planen. Das hat mir am Renntag und auch vorher viel Ruhe und Sicherheit gegeben. Auch die Vorbereitung auf verschiedene Eventualitäten.

Es hat viel Spaß gemacht und wird wohl doch nicht meine einzige Langdistanz werden.

Impressionen

Mein Plan zum Rennen (LINK)

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